Gegen Hitler und für ein anderes Deutschland als Diplomat in Krieg und Nachkrieg ; Lebenserinnerungen
'Albrecht von Kessel (1902-1976) hat sich selbst einmal als 'übriggebliebenes Ei aus dem Korb der deutschen Opposition' gegen Hitler bezeichnet. Kessel trat 1927 in den Auswärtigen Dienst ein, war enger Mitarbeiter des seit 1938 amtierenden Staatssekretärs Ernst von Weizsäcker, den er als Botschaftsrat 1943 an die Botschaft beim Heiligen Stuhl begleitete. Kessel zählte zum Freundeskreis um Adam von Trott und half den Verschwörern von Rom aus, mit der freien Welt in Verbindung zu bleiben. Hätte er nach dem gescheiterten Staatsstreich nicht den sicheren Schutz hinter vatikanischen Mauern gehabt, wäre vermutlich auch er in Deutschland vor Freislers Volksgerichtshof gelandet. Den Verlust der Freunde vom 20. Juli hat er zeitlebens nicht verwunden, die Frage, weshalb ausgerechnet er mit dem Leben davongekommen war, hat ihn nicht mehr losgelassen. Aus Protest gegen Adenauers Ostpolitik quittierte der Diplomat 1959 den Auswärtigen Dienst. Kessels Anfang der 1970er Jahre geschriebene Lebenserinnerungen kreisen vor allem um das zentrale Thema des gescheiterten Staatsstreichs, sie handeln von Kessels diplomatischer Mission im Protektorat Böhmen und Mähren (1938/39), seiner Zeit mit Ernst von Weizsäcker an der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl in Rom 1943-1946 und seinen Nachkriegsverwendungen in Paris, zunächst als kommissarischer Leiter der deutschen Diplomatischen Vertretung, sodann als stellvertretender Leiter der deutschen Delegation beim Interimsausschuss der Konferenz für die Organisation einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft (1950-1953), sowie als Gesandter in Washington von 1953-1959. Der Text wird an dieser Stelle zum ersten Mal vollständig vorgelegt und zeichnet sich durch den klaren Blick und den soignierten Stil seines Verfassers aus. Kessels Lebenserinnerungen haben die zentralen Erfahrungen der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert zum Gegenstand. Der Einsatz für Freiheit und Recht in widrigen Zeiten blieb als Prägung auch über die Zeit der Diktatur hinaus. Darüber hinaus sind die Memoiren ein Beitrag zur aktuellen Diskussion über den deutschen Auswärtigen Dienst und die 'Vergangenheitsbewältigung' der deutschen Diplomatie. Eine knappe Lebensskizze Albrecht von Kessels von Ulrich Schlie führt in die Erinnerungen ein.'