Leif Randt

Allegro Pastell

sina (she/her) 

»Don't regret things. It's holiday season. And January is going to be shitty anyway.«

Es entsprach durchaus der Norm, dass man zu Menschen, für die man einmal viel empfunden hatte, keinen Kontakt mehr pflegte. Genauso wie es der Norm entsprach, sinnlose Arbeit verrichten zu müssen, Ressentiments gegenüber Fremden zu haben und handysüchtig zu sein.

Vielleicht ist es dumm, das zu sagen, weil es so spät am Abend ist, aber wahr ist es ja doch: Du fehlst mir. Immer.

Alte Musik zu hören, fühlte sich selten völlig falsch, aber auch selten genau richtig an. 

Witzig, wie die Protagonistin zuerst super reflektiert den Film 'Call me by your Name' glaubt einzuordnen, um auf der nächsten Seite Yoga mit Hinduismus gleichzusetzen. 

Vielleicht würde Hinduismus eines Tages eine Option werden, nicht unbedingt für Tanja, die ja nicht mal Yoga mochte, aber womöglich für irgendwen, den sie kannte.

Die ersten warmen Tage eines Jahres trugen in großen Städten ein soziales Stresspotenzial in sich, in Berlin ging es darum, möglichst publikumswirksam eine gute Zeit zu haben. 

里森

Du bist der Mann, den ich auch noch kennen möchte, wenn er geschrumpft, kahlköpfig und senil ist.

Mit 37 Vater werden. Man könnte es für den normalen, quasi-reaktionären Verlauf halten, aber in deinem Fall ist es das nicht. Was wäre akzeptierter als ein narzisstischer Webdesigner, der sein Leben lang kinderlos bleibt? Ich empfinde es fast als subversiv, dass du Vater wirst.

Wären wir beide ungebunden geblieben, hätte es interessant sein können, gleichzeitig in verschiedene Städte zu ziehen, auf verschiedene Kontinente, zum Beispiel nach Vancouver und Seoul.

dennoch war der Anspruch klar, dem eigenen Kind eine komplexere Realität bieten zu wollen. Im Nachhinein hätte sich Jerome von seinen Eltern gewünscht, dass sie ihm zu einem früheren Zeitpunkt widersprüchlichere Lebenswelten präsentiert hätten. Reisen in die ehemaligen Sowjetstaaten wären in den Neunzigerjahren möglich und aufregend gewesen. Stattdessen machte man Skiurlaube. Und Jerome hatte dann, als das Fliegen billig war, die Welt auf eigene Faust erkunden müssen.

Auf den letzten Metern hatte sie ein anspruchsvoll zu filmendes Handyvideo von sich auf dem Roller gedreht und kurz danach entschieden, es niemandem zu schicken.

Während ihrer Fahrt stellte Tanja sich vor, dass sie ein Kamerateam live begleitete, sie versuchte also, ungebrochen ernst geradeaus zu schauen.

Jerome fand es denkbar, sich vollends an sie zu gewöhnen.

Vielleicht war ein schöner Bildschirmschoner insgeheim das, was ihm am meisten fehlte.

Jerome fand, dass man immer in der Lage bleiben musste, ein Projekt so weit zu relativieren, bis es scheinbar egal war und nichts mehr davon abhing.

Tanja wollte wissen, wie Jerome das Feuerwerk beurteilte, verglichen mit anderen Feuerwerken in anderen Städten und Ländern. Vielleicht ließ sich der Charakter einer Stadt ja anhand ihres Feuerwerks bestimmen. Demnach hätte es Tanja gerne als etwas aggressiv und unzufrieden, aber zugleich als träge wahrgenommen, doch diese Zuschreibungen trafen auf das Feuerwerk, das sie sah, definitiv nicht zu. Jerome sagte, dass es schwer sei, ein Feuerwerk zu charakterisieren.

Jerome gab neuerlich zu, dass es ihm am besten ging, wenn er sich selbst zwar eine gewisse Flexibilität unterstellte, in Wahrheit aber streng an längst gemachten Plänen festhielt.

Insgesamt ging Tanja davon aus, dass die meisten in ihrem Umfeld sich eine globale Diktatur westlicher Wissenschaft wünschten, regional repräsentiert von Frauen, die viele Sprachen beherrschten und auf eine mütterliche Weise sympathisch aussahen.

Wenn dicke Männer über diese völlig selbstbewusste und schamlose Trägheit verfügten, dann machte das Eindruck auf Jerome, das war nichts Neues. Dass er sich aber auch noch fragte, was der Uber-Fahrer nun über ihn dachte, legte Jerome als ein weiteres Zeichen dafür aus, dass sich in den vergangenen Wochen etwas verändert hatte. Äußere und innere Persönlichkeit standen in keiner souveränen Distanz mehr zueinander, seine äußere Persönlichkeit setzte die innere unter Druck.

Jerome fand, dass sein Englisch heute deutscher klang als zuletzt.

Bei einigen One-Night-Stands hatte Jerome den Eindruck gehabt, dass seine Partnerinnen vor allem sich selbst etwas beweisen wollten, als wäre er nur anwesend, um ihnen diese Beweisführung zu ermöglichen.

Letztlich – das sah Jerome jetzt, da er die ausgespülten Eisschalen umgedreht auf ein Geschirrhandtuch stellte, sehr deutlich – gab es sehr wohl so etwas wie Schicksal.

Lisa-Maria Hofmann

Ich hab mir während dem Lesen tatsächlich die Brand eins zum Monothema Grundeinkommen bestellt.

Präzise beschreibung meines Lebens, aber nichts neues 

Sophie

It is eloquently written and, as a reader, you want to keep going, mostly to see if something more, anything, happens. For me, the main characters, and especially the female protagonist, were incredibly shallow - I could not relate to them at all, which is fine, humans are complex and its written from their respective point of views, nonetheless I think more depth would have been nice. 

Dieses Buch hat mich spätestens bei »Stell dir vor, du würdest in Bockenheim wohnen« gekriegt. 

Nina Ding

Sonja H

„Allegro Pastell“ von Leif Randt wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse 2020 nominiert. Der Autor hat für seine Werke bereits einige Preise gewonnen und wird vermutlich auch diese Auszeichnung bekommen.

Millenials und die große Liebe

Wo fange ich am Besten mit meinen Eindrücken an? Das ist gar nicht so einfach, denn alle Teile des Buches – Story, Charaktere, Schreibstil – kommen zu einem großen Ganzen zusammen, eins besteht nicht ohne das andere.

Beginnen wir mit dem Kernstück, den beiden „Millenials“ Tanja und Jerome, die sich im heißen Sommer in 2018 begegnen, verlieben und ihre Gefühle so lang zerdenken und dezimieren, bis… nun, das müsst ihr selbst lesen.

Zu den „Millenials“ oder auch der Generation Y gehören laut Wikipedia die im Zeitraum der frühen 1980er bis zu den späten 1990er Jahren geboren wurden. Nicht nur die Protagonisten gehören dieser Gruppe an, auch der Autor selbst, der 1983 das Licht der Welt erblickte, ist ein sog. „Jahrtausender“.
Ihnen wird nachgesagt, eine „gewisse Neigung zum Hinterfragen“ zu haben (Wikipedia) und genau dies tun Tanja und Jerome hier bis ins winzigste Detail mit sich selbst, ihrem Umfeld, ihrer Liebe – nichts wird als gegeben hingenommen, alles wird durchleuchtet, analysiert und mit einer großen emotionalen Distanz betrachtet. Man will sich nicht festlegen, will sich nicht binden, aber auch nicht wirklich endgültig voneinander trennen.

Stilistische Mittel

Immer wieder streut Randt an jeder möglichen und unmöglichen Stelle Markennamen sehr gezielt ein, sind sie doch für den Alltag dieser Generation wesentlich. Da hat man nicht einfach nur ein Handy, da besitzt man vielmehr ein Samsung Galaxy S7, trägt einen Quechua-Rucksack oder ein Kalenjishirt und fährt einen Tesla.

Üblicherweise bekommt man als AutorIn empfohlen, keine Marken in der Geschichte zu nennen, weil das Buch so datiert wird und die Begriffe für LeserInnen, die es erst Jahre später entdecken, keine Bedeutung mehr haben.

Doch hier ist das alles ein Mittel zum Zweck. Es zeigt und überspitzt dabei das Umfeld, in dem sich die Generation Y bewegt, die früh mit Technik in Verbindung gekommen ist und sich bewusst nach diversen Markenartikeln umsieht – einerseits, um ihre Individualität auszudrücken, andererseits um unter ihren Peers nicht unangenehm aufzufallen.

All dies kombiniert mit dem ausgesprochen reservierten Ton, mit dem der Autor seine Story erzählt, ergibt das perfekte Bild einer Altersgruppe, die von Soziologen und andere selbsternannten Experten als „Millenials“ bezeichnet wird. So perfekt, dass eigentlich sehr schnell klar wird, dass es sich nur um eine Satire handeln kann.

Mein Leseeindruck

Um die zynische und eher humorvolle Seite des Buches schätzen zu können, sollte man unbedingt hin und wieder eine Lesepause einlegen, denn der emotionslose Erzählton ist auf Dauer anstrengend und ein wenig nervig. Doch mit ein paar Unterbrechungen kann die Lektüre durchaus Spaß machen.

Die Story selbst ist eher ein wenig langweilig und belanglos – aber auch das ist wohl Absicht, passt es doch in die „pastellfarbene“ Welt der Jahrtausender, in der alles in einem Einheitsbrei verschwimmt im Gegensatz zur – überholten – Popkultur, in der alles so einzigartig, laut und farbenfroh war.

Fazit

„Allegro Pastell“ von Leif Randt ist ein echtes Meisterwerk, aber, wenn ich ehrlich bin, fand ich es viel zu zäh und zu lang, selbst wenn ich davon ausgehe, dass es genauso gewollt ist.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich tatsächlich Vertreter der Generation Y kenne, die haargenau in dieses Schema passen, die mich immer wieder ermüden mit ihren tausend komplizierten Gedanken zu einem einfachen Sachverhalt. Es könnte sein, dass das Buch einfach nur meinen „roten Knopf“ ausgelöst hat und ich deswegen froh und dankbar war, als ich damit fertig war.

Super würde sich das Buch aber in einer Zeitkapsel machen, um der Menschheit in hundert Jahren – so denn es noch eine solche gibt – zu zeigen, was für eine schreckliche Phase ihre Vorfahren durchstehen mussten…

Painfully perceptive. Gave me occasional feelings of having been “caught in the act” (though of what I do not now). Anyone who has spent a spring in Berlin knows what Rand describes when he has Berliners do their very best to have a good time in maximally public and visible ways.

Allegro Pastell

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