Dorothee Elmiger

Aus der Zuckerfabrik

Gregor Gross

Es ist mehr ein Buch über den Lottogewinner Werner Bruni als über Zucker, finde ich, oder wie es der Klappentext sagt:

> "_Aus der Zuckerfabrik_ ist die Geschichte einer Recherche, ein Journal voller Beobachtungen, Befragungen und Ermittlungen."

Die Ermittlungen (in Literatur und vor Ort) sind weit gestreut in Zeit und Raum und sehr belesen. Meine Lieblingsreferenz war die zu einem Text über seine Knast-Erfahrungen von EG Wakefield, der auch in Marx' Kapital erwähnt wird (und dem wir die Einsicht verdanken, daß nicht die Strafe Verbrecher abschreckt, sondern die Gewissheit, erwischt zu werden). Einige der Selbst-Befragungen im Text kamen mir aber manchmal vor wie eine Aufgabe aus einer Schreibwerkstatt.

Zucker und seine Verknüpfung mit kolonialer Sklaverei durch Europäer spielen eine große Rolle (neben Lottokönig WB). Unerwähnt bleibt aber beispielsweise die Zuckerrübe, die als Ersatz von Zucker aus Zuckerrohr ja einen Einfluß auf die Sklaverei in Übersee hatte, auch wenn der vielleicht nicht das direkt Ziel ihrer Zucht war.

Manchmal ist Elmigers Blick unscharf und ggf. leicht voreingenommen, finde ich (Beispiele habe ich notiert, aber die würden hier den Rahmen sprengen). Die aufgezeigten literarischen oder geschichtlichen Zusammenhänge oder Koinzidenzen fand ich nicht immer zwingend, sondern häufig konstruiert. Wenn wir erfahren, daß Ellen West gerne Zucker isst, dann wissen wir immer noch nicht, warum diese Verbindung nicht nur rein zufällig ist (oder ob Ellen West vielleicht Zucker aus Zuckerrüben konsumierte?).

Wenn französische Textbrocken eingebaut werden, ist das sicherlich einfach für Schweizer. Für uns Nicht-Schweizer wäre eine Übersetzung in Fußnote oder Anhang hilfreich.

Auf S. 85 wird erwähnt, daß Adam Smith seine Hand in die Zuckerschale stecke, und zwar als ob die Leser sich daran erinnern. Adam Smiths Zuckergeschichte wird aber erst auf S. 99 erzählt. Elmiger scheint sich auf Sydney Mintz zu beziehen, der auf S. 64 einen Schockzustand erfährt, als er im gleichen Moment Zucker in seiner Tasse vor sich hat ebenso wie ein Zuckerrohrfeld.

Lesen tut es sich zügig, weil es trotzdem interessant bleibt und sich schön formuliert zeigt. In Summe lohnenswert, das Buch zu lesen (Hermann Burger wird auch erwähnt, allein schon deshalb).

Aus der Zuckerfabrik

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