Leben ohne Leben
Josefa Werner nahm die junge Frau bei den Schultern und drehte sie hin und her. "Mit jedem Monat wirst du schöner, Blanka. Ein halbes Jahr lang habe ich dich nicht gesehen. Mädel, Mädel, was ist aus dir geworden!" "Gar nichts ist aus mir geworden", klang es jämmerlich zurück. Die Angeredete wischte mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen, die ihr über die Wangen zu rollen drohten. "Alle reden von meiner Schönheit, dabei verdiene ich nicht einmal so viel, daß ich mich sattessen kann. An den kleinsten Bühnen drücke ich mich herum, kein anständiges Theater stellt mich an. Nun bin ich wieder stellungslos! - Es ist furchtbar!" Die Ältere, eine große, stattliche Erscheinung, strich der Freundin zärtlich über die Wange. "Zunächst bleibst du für einige Wochen bei mir, bis du ein ordentliches Engagement gefunden hast, das ist ein selbstverständlicher Freundschaftsdienst. Doch sage, warum hast du dir die schönen aschblonden Haare färben lassen? Es kleidet dich wohl auch gut und ist zur Zeit modern; lieber warst du mir freilich mit dem natürlichen Kopfschmuck." "Ach, Josefa, man muß sich nach der Zeit richten. Hellblond ist heute die große Mode. Ich hatte mir eingebildet, eine Schauspielerin müsse auffallen, hoffte mit hellem Haar auf ein besseres Engagement. Alles hat keinen Zweck! Es ist ein einziges Elend!" "Wie steht es mit deiner Heirat, Blanka?" "Das ist auch so 'ne jämmerliche Geschichte. Julius ist wütend, weil ich mein Haar bleichen ließ; er ist noch wütender, daß ich mich an kleinen Theatern herumdrücke! - Eigentlich passen wir beide gar nicht zusammen; ein Registrator und eine Schauspielerin, die die Welt erobern möchte. Es kommt bestimmt nichts Gutes dabei heraus. Wir haben uns schon als Kinder gekannt, bildeten uns später ein, wir liebten uns - ach, Josefa, es ist bestimmt nicht die wahre Liebe. Unser Leben wurde in recht verschiedene Bahnen gelenkt. Julius sitzt tagaus, tagein und heftet Akten, während ich Theater spielen muß. - Ich habe es satt, herzlich satt! Ich wollte, ich wäre ein Murmeltier und könnte den kommenden Winter verschlafen." "Dein lebhaftes Temperament geht wohl mit dir durch? Hast du alle deine hochfliegenden Pläne eingesargt? Nur Mut, Blanka! Du bist nun in Berlin, hast Gelegenheit, nach einem besseren Engagement Umschau zu halten und wirst bestimmt etwas finden." "Ich finde gar nichts mehr! Nun bin ich bereits zweiundzwanzig Jahre alt geworden und vollkommen mutlos. - Wenn ich dich nicht hätte, Josefa, was sollte ich ...