Denkumbrüche mit Nietzsche zur anspornenden Verachtung der Zeit
Der Titel des vorliegenden Bandes paraphrasiert Nietzsches Reverenz an Schopenhauer und bezeichnet für die Autorin den beispielgebenden Impuls seines Denkens, der ihn zu einer der großen Empörergestalten des Geistes und zum kritischen Warner mit Weitblick für das 20. Jahrhundert gemacht hat. Sein Anspruch, "Widerspruch gegen die Zeit" zu sein, wird im Kontext der gleichzeitigen Gebundenheit an sie, unter dem Stichwort der Verachtung zum philosophischen Gestus und zum methodischen Potential Nietzsches, seine grundlegende Kulturkritik der Moderne zu formulieren. Die Verdächtigung als konstruktives Denkprinzip strukturiert dabei grundlegend, radikal und ambivalent die Optik des Kulturkritikers und des Ästhetikers, denn alle Kulturkritik ist ihm ästhetisch fundiert und umgekehrt ist alle Ästhetik nicht ohne eine fundamentale kulturkritische Dimension, und gehört zu den fortwirkenden Momenten in der mehr als einhundertjährigen Rezeptionsgeschichte. Der Band vereinigt Aufsätze aus zwei Jahrzehnten, von schwer zugänglichen und zur Zeit ihrer Erstveröffentlichung in der DDR heiß umstrittenen bis zu solchen, die am Übergang zum nächsten Jahrhundert im vereinigten Deutschland entstanden sind – in der Art und Weise ihrer Präsentation ergeben sie eine zusammenschließende Interpretation Nietzschescher Kulturkritik, Ästhetik und von deren Rezeption durch WissenschaftlerInnen mit divergierender philosophischer Perspektive. Darin sollte dem Leser mehr, als er der Autorin augenscheinlich ist, der "östliche" Ursprung der Erfahrungen sichtbar werden, die das ausdrückliche Interesse an der Kulturkritik provoziert und profiliert haben und zugleich Denkanstöße für einen fortzusetzenden Dialog mit Nietzsche.