Tolstoj als theologischer Denker und Kirchenkritiker
Tolstojs theologische Abhandlungen stehen im Schatten seiner berühmten Romane und sind heute weithin vergessen. Anlässlich des 100. Todestages des Schriftstellers machen die Herausgeber eine Auswahl von ihnen in neuer Übersetzung und teils erstmalig in deutscher Sprache zugänglich. Enthalten sind vollständige Traktate wie »Kirche und Staat«, »Religion und Moral«, »An die Geistlichkeit«, »Das Wesen der christlichen Lehre« sowie einzelne religiöse Briefe, Tagebucheinträge, Aphorismen, Gebete, Gleichnisse und Auszüge aus längeren Schriften.In einem zweiten Teil werden Tolstojs theologische Entwürfe von Fachleuten aus Theologie, Slavistik und Philosophie neu bewertet und kritisch gewürdigt. Das verbreitete Urteil, dass Tolstoj ein unbegabter Laientheologe gewesen sei, wird ebenso widerlegt wie die gängige Trennung zwischen dem Künstler und dem Moralisten. Kunst und Theologie gehen in Tolstojs Œuvre eine unauflösbare Einheit ein. Der Graf von Jasnaja Poljana erweist sich als ernst zu nehmender theologischer Denker, dessen Konzepte einflussreich waren und ihre Sprengkraft bis heute behalten haben.Thematisiert werden außerdem Tolstojs Verhältnis zu den verschiedenen Konfessionen, Religionen und philosophischen Richtungen sowie die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte seiner theologischen und kirchenkritischen Konzepte. Die Publikation dient dem Ziel, die Debatte um Tolstojs Ideen neu zu lancieren und auf deren Wirkmächtigkeit und Aktualität hinzuweisen. Sie richtet sich sowohl an ein Fachpublikum aus Theologie und Slavistik wie auch an die breitere Öffentlichkeit.