Gottfried Benn, Bertolt Brecht das Janusgesicht der Moderne
Gottfried Benn und Bertolt Brecht - zwei herausragende Reprasentanten der Klassischen Moderne, die in ihren ideologischen Positionen und asthetischen Innovationen gegensatzlicher nicht sein konnten. Und doch eroffnet die Zusammenschau ihrer Parallelbiographien und Werkkonstellationen reizvolle Perspektiven auf den literarischen Pluralismus in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts. Als Janusgesicht der Moderne blicken Benn und Brecht zwar ausserst kritisch auf ihre Zeit, deuten sie aber jeweils anders. Fur Brecht, dem der Marxismus zum Schlussel wird, um okonomische und kulturelle Machtkonstellationen samt ihren ideologischen Verblendungen zu erfassen, hat die Literatur die Funktion, die Gesetze der Wirklichkeit sichtbar zu machen, damit der Rezipient mit seinem Urteil "dazwischen" kommt. Benn hingegen, der das 20. Jahrhundert als eine Zeit des Niedergangs bestimmt, in der ursprungliche Seinstiefe gegen flache Zivilisationsbequemlichkeit eingetauscht wird, praferiert die Regression in den pralogischen Zustand einer All-Einheit des Seins oder die Progression zur "Metaphysik der Form". Indem die Beitrage des Sammelbandes neben den Schnittmengen die Differenzen zwischen dem geschichtsabgewandten Asthetizismus Benns und der geschichtszugewandten "Gebrauchsliteratur" Brechts herausarbeiten, werden zwei literarische Haltungen profiliert, die sich in Zustimmung und Ablehnung zu ideologischen Identifikationsmustern formierten.