Lieutenant gustl novelle : Berlin 1901
Arthur Schnitzler war wohl der erste deutschsprachige Autor, dem eine wirklich plastische Darstellung des Denkens und Fühlens seiner Figuren gelang, ja mehr noch - Die angewandte Erzähltechnik des 'inneren Monologs' gestattete erstmals quasi eine 'Verschmelzung' mit ihrem subjektiven Bewusstsein. Idealtypisch führt dies seine Erzählung 'Lieutenant Gustl' vor, die hier in der Erstausgabe von 1900 präsentiert wird. Dort trägt der Protagonist noch seine französische Rangbezeichnung. Der junge Offizier Gustl, der von einem nicht satisfaktionsfähigen Bäckermeister beleidigt wird und sich deshalb nach dem Ehrenkodex der Armee erschießen müsste, durchleidet eine Nacht der Todesangst. Erst am Morgen erfährt er, dass sein Angstgegner einem Schlaganfall erlegen ist. Streng monologisch verfasst, erzeugt die Leidenssuada einen enormen Sprachsog, der die zerstörerische Wirkung autoritärer Zwänge drastisch vor Augen führt. Angesichts des alptraumartigen Szenarios aus Doppelmoral, Versagen und Missbrauch überfällt den Leser ein fiebriger Identifikationszwang wider Willen, der den 'Lieutenant' als eine der einflussreichsten Erzählungen des letzten Jahrhunderts ausweist.