Das Menschenbild des Thomasevangeliums Untersuchungen zu seiner religionsgeschichtlichen und chronologischen Einordnung
English summary: Enno Edzard Popkes investigates the anthropological traits of the Coptic Gospel of Thomas, especially its comprehension of individuality and sociality, the term monachos and the motif of the image character of human existence. The analysis shows that this writing can be understood as a Gnostic work, in terms of content as well as the technique of its argument and composition. It is not merely an early Gnostic writing with only first signs of concepts, which were expanded in later Gnostic traditions. The Coptic Gospel of Thomas presupposes an already fully developed Gnostic anthropology. German description: Das Thomasevangelium zieht eine besondere Aufmerksamkeit auf sich. Bei keiner anderen ausserkanonischen Schrift wird derartig kontrovers diskutiert, ob sie fruhe Jesus-Traditionen enthalt, die noch nicht von den Deutungsversuchen des fruhen Christentums uberformt sind. Lange Zeit wurde die Forschung durch die Frage dominiert, ob sich auf der Basis der koptischen Ubersetzung und den griechischen Fragmenten des Thomasevangeliums fruhere Textstadien rekonstruieren lassen, die neue Erkenntnisse uber die Worte und Taten Jesu und uber die Identitatsfindungsprozesse der fruhen Jesusbewegung ermoglichen. Eine vernachlassigte Aufgabe besteht jedoch darin, das koptische Thomasevangelium als ein eigenstandiges Zeugnis zu wurdigen. Bisher wurde auch nur selten analysiert, zu welchen konkreten gnostischen Traditionsbildungen sich Bezuge erkennen lassen und in welchem Verhaltnis es zu weiteren gnostischen Originalzeugnissen steht. Dieser Aufgabe widmet sich Enno Edzard Popkes, indem er das Menschenbild des Thomasevangeliums analysiert, in welchem das theologische Profil dieses Werkes eindrucklich zu Tage tritt. Dabei zeigt sich, dass das koptische Thomasevangelium inhaltlich-sachlich und argumentations- und kompositionstechnisch als ein gnostisches Werk verstanden werden kann. Es handelt sich nicht nur um ein 'fruhgnostisches' Werk, in welchem lediglich ansatzweise Konzeptionen vorliegen, die in spateren gnostischen Traditionsbildungen ausgearbeitet werden. Die einzig vollstandig erhaltene Fassung des Thomasevangeliums setzt vielmehr ein bereits voll entwickeltes gnostisches Menschenbild voraus.