Eine Poetik der Offenbarung

Eine Poetik der Offenbarung Isaak Babelʹ, Bruno Schulz, Danilo Kiš

Jörg Schulte2004
Kann ein Werk der weltlichen Literatur auf jene Weise gelesen werden, auf die Rabbiner in den Kommentaren von Talmud und Midrasch den Text der Torah lesen und auslegen? Auf diese Frage antwortet die Studie, indem sie zunachst anhand eines Talmudabschnitts (Eruvim 54b) die Besonderheiten rabbinischer Lekture zeigt. Aus dem Werk von Emmanuel Levinas gewinnt sie jene Termini, die Verfahren der rabbinischen Exegese in die der griechischen Tradition verpflichteten Sprache der Philosophie bzw. der Poetik ubertragbar machen. Mit ihnen wird der Unterschied zwischen "rabbinischer" und "griechischer" Lekture fassbar. Auf "rabbinische" Weise werden in drei eigenstandigen Kapiteln die Werke von Isaak Babel', Bruno Schulz und Danilo Kis gelesen. Im Werk von Isaak Babel' weisen rabbinische Verfahren auf das ausserst vielfaltig verborgene Mythologem des christlichen Taufers (das Kapitel beschliesst ein ikonologischer Exkurs uber die nicht erforschte hermetische Interpretation Johannes des Taufers), wahrend sie in Bruno Schulz' Zyklen Zimtladen und Sanatorium zur Klepsydra eine auf der judischen Zeitrechnung beruhende kalendarische Struktur offenlegen. Danilo Ki? Roman Garten, Asche... schliesslich wird als eine Neuschaffung dieser Komposition gelesen, die gleichsam einen verborgenen Kommentar zu Bruno Schulz' Zyklen bildet.
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