Der Spaß an der Sache

Der Spaß an der Sache Alle Essays

»Eine Kompetenzgranate mit Dauerzündung, die unterhalten, aber nicht unterfordern will« Ulrich Blumenbach. Zum zehnten Todestag des wichtigsten amerikanischen Autors seiner Generation erscheinen alle Essays in einem Band. Gerade die Essays und Reportagen sind für viele Kritiker und Leser Wallace’ Königsdisziplin, und in dieser nach Themen geordneten Anthologie sind seine Beobachtungsschärfe und sprachliche Brillanz neu zu entdecken. Neben Romanen und Erzählungen hat David Foster Wallace immer auch Essays geschrieben, mal im Auftrag von Zeitschriften und Zeitungen, mal für Sammlungen. Zu den bekanntesten gehört sicherlich »Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich«, sein berühmter Text über die Reise auf einem Kreuzfahrtschiff, und »Das hier ist Wasser«. Dieses monumentale Buch versammelt alle Sachtexte des großen amerikanischen Autors. Ulrich Blumenbach, der längst zur deutschen Stimme Wallace’ geworden ist, hat die Essays in diesem finalen Band nach Themengebieten geordnet: Von Tennis über Ästhetik, Sprache & Literatur, Politik, Film & Fernsehen, die Unterhaltungsindustrie und Leben & Liebe reicht die Bandbreite. So ist Wallace in all seiner Brillanz in diesen höchst unterhaltsamen und klugen Texten aufs Neue zu entdecken und zu bewundern.
Sign up to use

Highlights

Photo of Martin Meyer
Martin Meyer@martin

Ich kann mir denken, wie dieses Relax-Alibi entsteht und wie es mit dem im Katalog verheißenen Nichtstun zusammenhängt. Entscheidend, glaube ich, ist die tief sitzende Scham, die in unserer Gesellschaft jede Form des Müßiggangs begleitet. Daher die Notwendigkeit, das Nichtstun, den Müßiggang umzudeklarieren. In anderen Lebensbereichen verhält es sich übrigens ähnlich. Beispiele: Ich gehe nicht zur Massage einfach um einer Massage willen. Ich gehe, weil ich da diese alte Sportverletzung habe, die mich noch umbringt, wenn ich nicht - sozusagen gezwungenermaßen - zur Massage gehe. Und Raucher wollen nicht ein- fach eine Zigarette, sie brauchen eine.

Page 858
Photo of Martin Meyer
Martin Meyer@martin

Ich bin mittlerweile 33 Jahre alt, und es kommt mir vor, als wäre in meinem Leben berets viel Zeit vergangen, und als vergehe sie sogar mit jedem weiteren Tag etwas schneller. Tagaus, tagein bin ich gehalten, alle möglichen Entscheidungen zu treffen über das, was wichtig und richtig ist und was mir womöglich sogar etwas (Spaß) bringt. Genauer gesagt, zuerst muss ich entscheiden - und mich dann damit abfinden dass ich aufgrund meiner Entscheidung andere Optionen nicht ausüben konnte. Und während also die Zeit für mich immer schneller vergeht, wird mir allmählich klar, dass sich meine Wahlmöglichkeiten immer mehr reduzieren, während sich die ausgeschlagenen Optionen exponentiell vermehren, sodass der Moment absehbar ist, an dem ich auf dem prächtig verästelten Baum des Lebens an einen Zweig gelange, an dem es keine Alternative mehr gibt und ich von der Zeit auf dem einmal eingeschlagenen Weg weitergedrängt werde - in Richtung Stillstand, Atrophie und Verfall. Ich schleppe mich dahin, bis ich, wie die Bibel schon sagt, zum dritten Mal niedergehe und alles Kämpfen nichts mehr nutzt, ersoffen in der Zeit. Es ist furchtbar. Immerhin, sage ich mir als der erwachsene Mensch, der ich gerne sein will, es sind meine eigenen Entscheidungen, in denen ich festsitze wie in einem Gefängnis. Denn so sind die Spielregeln: Ich muss mich entscheiden und später damit leben, dass ich meine Entscheidungen bereue.

Page 848