Das Körperecho
Ghérasim Luca: mit diesem Namen ist nicht weniger als eine Entdeckung anzukündigen. Le plus grand poète français, sagt Gilles Deleuze, mais justement il est d'origine roumaine, c'est Ghérasim Luca, ein weiterer Autor aus der Generation von Ionesco, Cioran und Gellu Naum. Nachdem Ghérasim Luca lange vergeblich versucht hatte, außer Land zu kommen, verließ er Anfang der 50er Jahre Rumänien. Fortan schrieb Luca, der sich selbst als étran-juif bezeichnete, nur mehr auf Französisch. Heute gilt Luca (1913-1994) in Frankreich als bedeutender europäischer Dichter des 20. Jahrhunderts. Als kompromißloser Verächter von Dogmen aller Art, von Gesetzen, Ideologien und generell von religiösen oder philosophischen Wahrheiten, für deren Durchsetzung die Sprache lediglich als Armatur benutzt - missbraucht - wird, schreibt Felix Philipp Ingold in der NZZ, meidet Luca ordentlich gebaute, auf vorbestimmte Aussagen festgelegte Satzgebilde und feiert stattdessen das einzelne Wort, dessen jeweilige Laut- oder Schriftgestalt er zum Anlaß vielfältiger Ableitungen, Variationen und Permutationen nimmt, die ihrerseits, dank subtiler Steuerung, ein neues, im eigentlichen Wortsinn unerhörtes Sinnpotenzial generieren. Daß Lucas Spiel mit der Sprache ein durchweg ernstes, wenn nicht todernstes Spiel ist, zeigt sich besonders deutlich bei der Auswahl seiner Themawörter, die fast ausschließlich dem weiten semantischen Einzugsbereich zwischen Liebe und Tod, Macht und Gewalt, Schmerz und Angst entstammen. Der Passion des Körpers und der Lust an der Sprache widmet sich auch die zweisprachige, von Mirko Bonné initiierte Ausgabe, die (fast integral) vier Gedichtbände Lucas versammelt. Die voneinander unabhängigen Übersetzungen Mirko Bonnés (Das Körperecho) sowie Theresia Prammers und Michael Hammerschmids (Lapsus linguae) stellen den Versuch dar, dieses das Wort öffnende poetische Werk auch auf Deutsch produktiv zu machen.