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Ursprünglich war das BIP als Maßnahme für die Kriegszeit gedacht, und deshalb ist es auch so - man ist fast versucht zu sagen radikal - eindimensional. Es erfasst ausnahmslos alle geldbasierten Aktivitäten in einer Volkswirtschaft, ohne sich dafür zu interessieren, ob diese Aktivitäten nützlich oder destruktiv sind. Wenn Sie einen Wald abholzen und das Holz verkaufen, steigt das BIP an. Wenn Sie eine Bergkette abtragen, um Kohle abzubauen, steigt das BIP an. Wenn die tägliche Arbeitszeit verlängert und das Renteneintrittsalter angehoben wird, steigt das BIP. Was dem BIP jedoch fehlt, ist eine Kostenrechnung. Weder erfasst es die Kosten, die der Verlust des Waldes als CO2-Senke bedeutet, noch die Kosten des Verlusts der Bergkette als Lebensraum gefährdeter Arten oder den physischen und psychischen Tribut, den zu viel Arbeit und Stress von den Menschen fordert. Und das BIP unterschlägt nicht nur das Negative, sondern auch, weil es nur Aktivitäten erfasst, die monetarisiert werden, vieles von dem, was gut ist. Egal ob Sie Ihre eigenen Lebensmittel anbauen, Ihre Wohnung putzen oder Ihre betagten Eltern pflegen, das BIP nimmt davon keinerlei Notiz, denn bei diesen Aktivitäten wechselt kein Geld den Besitzer. Für das BIP zählen diese Dienstleistungen nur, wenn Sie sie kaufen.
Idee des BIP

Wir neigen dazu, die Messlatte BIP für gegeben zu nehmen, so, als sei das immer schon so gewesen. Die wenigsten Leute wissen, dass das BIP erst vor gar nicht so langer Zeit »erfunden« wurde. Während der 1930er-Jahre machten sich die Ökonomen Simon Kuznets und John Maynard Keynes daran, eine ökonomische Aggregatzahl zu entwerfen, die Politiker bei der Suche nach Auswegen aus der Großen Depression anleiten konnte. Ziel war es, den monetären Gesamtwert aller in einer Volkswirtschaft produzierten Waren und erbrachten Dienstleistungen zu kalkulieren, sodass man besser sehen konnte, wo es Probleme gab und was getan werden musste, um diese zu beheben. Kuznets setzte sich für eine Maßzahl ein, die der Gesellschaft dabei helfen konnte, das Wohlergehen zu maximieren und den Fortschritt der menschlichen Wohlfahrt zu erfassen; entsprechend wollte er negative Posten wie Werbung, Pendelfahrten und Polizeiarbeit aus dem BIP ausschliessen, damit die Regierung, wenn die Ausgaben für diese Bereiche stiegen, nicht behaupten konnte, das Leben der Menschen würde Sich verbessern, obwohl das in Wahrheit gar nicht der Fall war.

Naomi Klein hat es in ihrem neuesten Buch Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima so ausgedrückt: »Unser Wirtschaftssystem und das System unseres Planeten befinden sich miteinander im Krieg. Was unser Klima braucht, um nicht zu kollabieren, ist ein Rückgang des Ressourcenverbrauchs durch den Menschen; was unser Wirtschaftsmodell fordert, um nicht zu kollabieren, ist ungehinderte Expansion. Nur eines dieser Regelsysteme lässt sich verändern, und das sind nicht die Naturgesetze.«
Naomi Klein, This changes everything

Über kurz oder lang entschloss sich das benachbarte Südafrika die Aidsepidemie ebenso schlimm wütete, die Regeln der WTO zu missachten, und begann, antiretrovirale Generika einzusetzen. Die Regierung berief sich auf eine Notlage der öffentlichen Gesundheit und verkündete, dass kein Patent so unantastbar sein dürfe, dass Millionen Menschen sterben müssten, um es nicht zu verletzen. Die Vereinten Nationen reagierten darauf, indem sie Südafrika durch das Schiedsgericht der WTO erdrückende Sanktionen androhten - und die Welt sah diesem kaltherzigen Schritt entsetzt zu. Aber dann geschah etwas in den Vereinigten Staaten, das der Argumentation der WTO die Grundlage entzog. Im Jahr 2001 starben etliche US-Bürger, weil sie mit Anthraxerregern (Milzbrand) in Kontakt gekommen waren. Die US-Regierung befürchtete, dass es zu einer Epidemie kommen könnte, möglicherweise ausgelöst durch biologische Kampfstoffe. Sie beschloss, alle Fälle einen Vorrat an Cipro anzulegen, einem Antibiotikün, mit dem Milzbrand behandelt werden kann. Aber Cipro war durch ein Patent geschützt, das von dem deutschen Pharmakonzern Bayer gehalten wurde, der einen sehr hohen Preis für das Medikament verlangte. Prompt berief sich die US-Regierung auf eine Notlage der öffentlichen Gesundheit und zwang Bayer sein Patent zu suspendieren, sodass ein Cipro-Generikum produziert werden konnte.

Bald stellten die Unternehmen fest, dass sie den gesamten Globus nicht nur nach billiger Arbeit absuchen konnten, sondern nach der billigsten Arbeit. Und auf der anderen Seite stellten die Entwicklungsländer fest, dass sie, um erfolgreich ausländische Investitionen anziehen zu können, miteinander konkurrieren mussten, um die Löhne immer weiter nach unten zu drücken. Daraus entwickelte sich ein »race to the bottom« („Wettlauf nach unten“) um immer niedrigere Löhne und immer schlechtere Arbeitsbedingungen.

Während die formale Wirtschaft kontrahierte, waren immer mehr Menschen gezwungen, sich im informellen Sektor über Wasser zu halten. In Mexiko nahm der Anteil der in der Schattenwirtschaft arbeitenden Menschen zwischen 1980 und 1987 um beinahe das Doppelte zu.

Reagan wollte den ohnehin schon Reichen noch mehr Geld zukommen lassen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, weil er annahm, dass sie ihr zusätzlich verfügbares Geld produktiv investieren und auf diese Weise neuen Wohlstand erzeugen würden, der dann in die übrige Gesellschaft »einsickern« würde (Trickle-down-Theorie).

Reagan wollte den ohnehin schon Reichen noch mehr Geld zukommen lassen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, weil er annahm, dass sie ihr zusätzlich verfügbares Geld produktiv investieren und auf diese Weise neuen Wohlstand erzeugen würden, der dann in die übrige Gesellschaft »einsickern« würde (Trickle-down-Theorie).

Die CIA bezahlte eine Gruppe chilenischer Ökonomen - Absolventen der University of Chicago, die als die »Chicago Boys« bekannt waren - dafür, dass sie Pinochets Regime berieten, und zwar mit dem Ziel, die Vorgaben umzusetzen, die Milton Friedman in Capitalism and Freedom dargelegt hatte. Tatsächlich war sogar Friedman selbst ein wichtiger Berater des Pinochet-Regimes.
Klein, The Shock Doctrine, S.77ff.

Die CIA bezahlte eine Gruppe chilenischer Ökonomen - Absolventen der University of Chicago, die als die »Chicago Boys« bekannt waren - dafür, dass sie Pinochets Regime berieten, und zwar mit dem Ziel, die Vorgaben umzusetzen, die Milton Friedman in Capitalism and Freedom dargelegt hatte. Tatsächlich war sogar Friedman selbst ein wichtiger Berater des Pinochet-Regimes.
Klein, The Shock Doctrine, S.77ff.

Die USA hatten das Gefühl, ihnen bleibé hiichts al res übrig, als zu härteren Mitteln zu greifen, und so fielen sie auf eine Taktik zurück, die sie schon in Guatemala und Indonesien erfolgreich eingesetzt hatten - den guten, alten Putsch. Er fand am 11. September 1973 stat, geführt von General Augusto Pinochet und unterstützt von der CIA unter dem Codenamen »Operation Fubelt«. Auf Anordnung der CIA flogen britische Bomber im Tieflug über die Dächer Santiagos und beschossen den Präsidentenpalast mit Geschossen und Raketen. Seine Dächer und Mauern stürzten ein in einer Wolke von Staub und Rauch, und Salvador Allende und die Hoffnungen seines Volkes wurden ausgelöscht.

Die taktische Unterstützung für viele dieser Aktionen kam von der »School of the Americas«. Dabei handelt es sich um ein Trainingscamp auf einer Militärbasis im US-Bundesstaat Georgia, das jahrelang eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung von Attentätern und Diktatoren spielte, die über ganz Lateinamerika ausschwärmten, um den US-Interessen über in dieser Region zu dienen. Diese Schulungsstätte ist auch heute noch aktiv, als Western Hemisphere Institute for Security Cooperation (WHINSEC).
Z.B. Guillermo Rodgriguez, Ecuadaor Dikrator

Auch in Brasilien putschte sich ein Militärregime mit Unterstützung der USA an die Macht. Nachdem er 1961 das Präsidentenamt übernommen hatte, begann João Goulart- ein früherer Fußballspieler und Nationalheld -, die mit seinem Namen verbundenen Reformas de base (»grundlegenden Reformen«) umzusetzen. Er wollte auch Analphabeten das Wahlrecht einräumen, den Armen eine Grundbildung vermitteln, die Gewinne multinationaler Konzerne besteuern, wenn sie sie außer Landes schaffen wollten, und ungenutzten privaten Grundbesitz von mehr als 600 Hektar umverteilen. Diese Reformen waren für die Armnen Brasiliens ein Geschenk, doch die Eliten und die multinationalen US-Konzerne waren darüber gar nicht erfreut. Im Jahr 1962 verstaatlichte die Regierung den in Bedrängnis geratenen Telefonkonzern Brasiliens. eine Tochter des US-Konzerns International Telephone and Tele- graph Company (ITT). Dessen CEO Harold Geneen war zufäl. ligerweise mit dem damaligen CIA-Chef befreundet und beklagte sich bei ihm über Goularts Regierung- gar nicht so sehr, weil ihm die brasilianische Tochtergesellschaft so sehr am Herzen lag, sondern weil er befürchtete, ITTS Interessen könnten auch in anderen lateinamerikanischen Ländern beeinträchtigt werden, falls die dortigen Regierungen Goularts Politik übernähmen. Präsident Kennedy hatte Bedenken, aber kurz nachdem Lyndon B. Johnson das Amt übernommen hatte, wurde die CIA aktiv, und zwar mit der Hilfe der Briten. Im Jahr 1964 unterstützten die USA in einer Aktion, die sie »Operation Brother Sam« nannten, einen Militärputsch, durch den Goulart seines Amtes enthoben und eine Junta installiert wurde, die 21 Jahre an der Macht bleiben würde.
Phyllis Parker, Brazil and the Quiet Intervention , 1964, Austin, TX: University of Texas Press, 1979.
Larry Rohter, „Exposing the Legacy of Operation Condor“, New York Times, 24. Januar 2014

Als Dwight D. Eisenhower 1953 das Amt des US-Präsidenten übernahm, bezog er eindeutig Stellung gegen den Developmentalismus, den er als Bedrohung der kommerziellen Interessen der multinationalen Konzerne der Vereinigten Staaten sah. Er holte zwei Personen in seine Regierung, die diese Haltung teilten: John Foster Dulles, den er zum US-Außenminister berief, und dessen Bruder Allen Dulles, der CIA-Chef wurde. Beide Dulles-Brüder hatten vorher in der Anwaltskanzlei Sullivan and Cromwell gearbeitet, wo sie Großunternehmen vertreten hatten, zum Beispiel J.P. Morgan, die Cuban Sugar Cane Corporation und die United Fruit Company - also einige der Firmen, von denen anzunehmen war, dass sie zu den Verlierern des Developmentalismus zählen würden. Aber die Eisenhower-Administration wusste, dass es schwierig werden würde, Maßnahmen gegen eine Bewegung zu rechtfertigen, die so offensichtlich auf den Grundsätzen von Gleichheit, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit beruhte. Eisenhower musste einen Weg finden, die US-Öffentlichkeit auf seine Seite zu bringen, und letztlich gelang ihm das, indem er oft und gern auf die Propaganda des Kalten Krieges zurückgriff: Er zeichnete ein Bild, das den Developmentalismus als ersten Schritt in den Kommunismus erscheinen ließ, und indem er developmentalistischen Regierungen Beziehungen zur UdSSR unterstellte, konnte er sie in der Vorstellung von US-Bürgern anschwärzen.
Naomi Klein „The Shock Doctrine“

Doch hinter dem Feigenblatt der Entwicklung machte Leopold den Kongo zu einem Rohstoflieferanten - zuerst für Elfenbein und dann, als die Automobilproduktion in den 189Oer-Jahren in Gang kam, auch für Gummi. Die Gewinnung von Gummi war freilich ein sehr arbeitsintensives Geschäft, und um genügend Arbeiter zu rekrutieren, versklavte Leopold einen großen Teil der Urbevölkerung und zwang sie, Gummi zu sammeln. Falls sie ihre Vorgaben nicht erreichten, wurden ihnen die Hände abgehackt - genau die gleiche Talktik, die Kolumbus eingesetzt hatte, um den Arawak mehr Gold abzupressen. Der springende Punkt ist hier, dass die Automobilindustrie - das Flaggschiff des westlichen Industrialismus Anfang des 20. Jahrhunderts - auf kolonialer Gewalt aufbaute.
König Leopold II. von Belgien

Da die Briten auf diplomatischer Ebene gescheitert waren, setzten sie Drogen ein. Unter dem Druck, ihr wachsendes Handelsdefizit gegenüber China finanzieren zu müssen, begannen sie, Opium - das im kolonisierten Indien angebaut wurde - auf den chinesischen Schwarzmarkt zu schleusen. Und als die chinesischen Behörden diesen illegalen Handel unterbanden, wie es das gute Recht eines jeden souveränen Landes ist, konterten die Briten mit einer militärischen Invasion. So begannen die Opiumkriege, die zwischen 1839 und 1842 von Großbritannien und von 1856 bis 1860 von einer anglo-französischen Allianz geführt wurden. China war nicht vorbereitet aut auf einen Marinekrieg und wurde erbarmungslos besiegt.

Die Transformation der Wirtschaft war dramatisch. Bevor die Briten gekommen waren, bildete Indiens Wirtschaft dem Ökonomen Angus Maddison zufolge einen Anteil von 27 Prozent der Weltwirtschaft - als sie wieder gingen, waren es nur noch drei Prozent

Auf seiner zweiten Expedition, dieses Mal mit 17 Schiffen: und 1200 Mann, reiste Kolumbus in der Karibik herum und nabm Tay. sende Ureinwohner gefangen, um sie nach Spanien bringen und dort als Sklaven verkaufen zu lassen. Aber sein wichtigstes Ziel auf dieser Reise war Gold. Ihm war aufgefallen, dass die Ureinwohner Schmuckstücke aus Gold trugen, woraus er schloss, dass es reiche Vorkommen des gelben Edelmetalls in dieser Region geben müsse. Da es ihm jedoch nicht gelang, die Quelle des Goldes zu finden, griff er zu Zwangsmitteln. Ausgehend von seiner Basis auf Hispaniola - der Insel, auf der sich heute Haiti und die Dominikanische Republik befinden -, zwang er die Ureinwohner, die Arawak, ihm alle drei Monate eine bestimmte Menge Goldes zu bringen. Den jenigen, die sich weigerten, ließ er die Hände abhacken, oder sie wurden gejagt und zur Strecke gebracht. Die Männer wurden gezwungen, ihr Leben in den Minen zu verbringen, wo sie sich auf der Suche nach Gold durch die Berge wühlen mussten. Alle sechs Monate ließ bis zu einem Drittel der Arbeiter ihr Leben. Innerhalb von zwei Jahren seit der Invasion der Spanier waren etwa Innerhalb 125 000 Menschen umgebracht worden - die Hälfte der Bevölkerung der Insel. Die meisten übrig gebliebenen Ureinwohner von Hispaniola wurden zur Sklavenarbeit auf den Plantagen gezwungen. Ein paar Jahrzehnte später waren nur noch einige Hundert Arawak am Leben.

Die Indikatoren der Bank zeigen, dass Subsahara- Afrika, wenn es sämtliche Empfehlungen der Bank befolgt und die entsprechenden Strukturanpassungsprogramme gewissenhaft umsetzt, einen Rückgang der Armut von 407 Millionen Menschen im Jahr 2008 auf 335 Millionen im Jahr 2030 erreichen kann. Das ist allerdings noch ziemlich weit entfernt von einer Null; vor allem, wenn man bedenkt, dass 1990 nur 287 Millionen Subsahara-Afrikaner in Armut lebten. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um das sacken zu lassen: Nach 40 Jahren Armutsbekämpfung in Subsahara-Afrika erwartet die Weltbank groteskerweise, dass die Anzahl der armen Menschen von 287 Millionen auf 335 Millionen »reduziert« worden sein wird.

Bin zweites Problem mit dieser »Good news«-Geschichte über Ungleichheit ist, dass der Gini-Index eine relative Maßzahl ist. was ziemlich irreführend sein kann. Anstatt die Lücke zwischen Reichen und Armen zu erfassen, misst der Index die relativen Raten. mit der die unterschiedlichen Einkommen wachsen. Wenn also die Pro-Kopf-Einkommen in armen Ländern etwas schneller schneller wachsen als jene in reichen Ländern, zeigt der Gini-Index abnehmende Ungleichheit, selbst wenn der absolute Unterschied zwischen diesen Einkommen größer geworden ist.

Ein weiteres Problem mit der FAO-Definition von Hunger ist, dass sie nur Kalorien zählt. Also werden Menschen, die unter einem erheblichen Mangel an wichtigen Vitaminen und Nährstoffen zu leiden haben (davon sind weltweit etwa 2,1 Milliarden Menschen betroffen), nicht als unterernährt erfasst, solange sie genug Kalorien ergattern können, um am Leben zu bleiben. Menschen, die von Parasiten befallen sind, welche die Nährstoffresorption behindern, fallen ebenfalls unter den Tisch, weil nur die Kalorienzufuhr erfasst wird, aber nicht die tatsächliche Ernährung.
68f

Solange die Armutsquote in absoluten Zahlen sich nicht deutlich verschlechterte, würde es in relativen Zahlen automatisch so aussehen, als würde sie sich verbessern. Im Jahr 2000 gab es 1,673 Milliarden Menschen auf der Welt, die in Armut lebten. Um die Anzahl dieser Menschen zu halbieren, hätte man 836 Millionen Menschen aus der Armut holen müssen. Um jedoch deren Quote zu reduzieren, häte man 669 Millionen Menschen ein besseres Leben ermöglichen müssen - ein Ziel, das wesentlich einfacher zu erreichen ist. Es war ein gekonnt aufgeführter Akt im statistischen Theater, den jedoch kaum jemand bemerkte.

Manche Läufer fallen zurück, andere setzen sich an die Spitze, einige sind schnell, andere langsam. Vielleicht mag es an den Institutionen oder der Regierungsarbeit oder am Klima liegen -aber was auch immer die Gründe sein mögen, der springende Punkt ist, dass jedes Land für seine eigenen Leistungen verantwortlich sei. Wenn also die reichen Länder reich sind, liege das an ihren eigenen Fähigkeiten und ihrem Fleiß. Und wenn die armen Länder arm sind, sei niemand daran schuld aufßer ihnen selbst. Dieser Ansatz motiviert uns dazu, uns an den Thesen einer Art »methodologischem Nationalismus« zu orientieren - also die Geschicke eines Landes zu analysieren, ohne jemals über dessen Grenzen hinauszublicken.

Als ich jedoch verschiedene Manager von World Vision, die hin und wieder aus den USA oder Australien einflogen, darauf hinwies, wurde mir gesagt, das sei zu »politisch«; es sei nicht World Visions Aufgabe, über Dinge wie Pharmapatente oder internationale Handelsregeln oder Auslandsschulden nachzudenken. Wür- den wir anfangen, solche Probleme anzusprechen, so wurde mir gesagt, würde man uns die Mittel streichen, bevor das Jahr um sei; immerhin sei das globale System von Patenten, Handel und Staatsverschuldung ja das, was unsere Geldgeber überhaupt erst so reich gemacht hätte, dass sie in der Lage seien, für wohltätige Zwecke zu spenden. Es sei besser, darüber den Mund zu halten: Bleib bei deinen Patenschaften für Schulkinder und mach keinen Arger.