Chancen für ein soziales Europa? Die Offene Methode der Koordinierung als neue Regulierungsform
Die vorliegende Studie greift eine hochaktuelle Frage in der europawiss- schaftlichen Debatte auf: Wie beeinflussen europäische Koordinierungsverfahren die Reformprozesse nationaler Sozialschutzsysteme? Am Beispiel dreier Länder, die bei der Reform ihrer wohlfahrtsstaatlichen Sicherungssysteme mit erheb- chen Beharrungsmomenten konfrontiert sind (Deutschland, Frankreich und Ita- en), wird in der Arbeit diskutiert, ob ein europäisches, vor allem auf Freiwill- keit und wechselseitigem Lernen beruhendes Koordinierungsverfahren, die - fene Methode der Koordinierung (OMK), die Nationalstaaten beim Kampf gegen soziale Ausgrenzung unterstützen kann. Die Arbeit stützt sich auf über 50 Int- views, die die Autorin von 2005-2007 in den drei genannten Ländern und auf der europäischen Ebene durchgeführt hat. Auf europäischer Ebene werden die zentrale Stellung der Kommission als Katalysator des Prozesses und die nur begrenzten Lern- und Partizipationsm- lichkeiten für die Regierungen nachgewiesen. Auf nationaler Ebene zeigt die Studie, dass der Einfluss des europäischen Verfahrens nur verstanden werden kann, wenn die nationalen Rahmenbedingungen bekannt sind. Angesichts der Zersplitterung sozialpolitischer Kompetenzen in Deutschland kommt euro- ischen Zielen und Indikatoren nur eine geringe Bedeutung für nationale Refo- prozesse zu - auch wenn die Wohlfahrtsverbände erheblich von den neuen Le- und Partizipationschancen profitieren. Ganz anders ist die Situation in Fra- reich, wo die nationalen Entscheidungsträger in der Verwaltung auch in die - ropäischen Koordinierungsprozesse einbezogen werden und damit die Wirks- keit des Verfahrens institutionell sicherstellen. Paradoxerweise scheinen gerade die zentralistisch-expertokratischen Strukturen der französischen Sozialpolitik eine wichtige Voraussetzung für neue Partizipations- und Lernchancen zu sein.