Der Mönch in High Heels Du darfst sein, wer du bist
Reviews

Ich hätte nicht gedacht, dass Kodo Nishimuras Buch mich nachhaltig so beeindrucken würde. Unbewusst habe ich den kurzen Auftritt damals bei Queer Eye: We’re in Japan wahrgenommen, aber ehrlicherweise überhaupt nicht weiter darüber nachgedacht. Nach Lesen des Buches habe ich mir diese Folge noch einmal angesehen und jetzt finde ich es wirklich schade, dass es nur so ein kurzes – aber nichtsdestotrotz wichtiges – Gespräch mit Kodo war.
Aber zurück zu Der Mönch in High Heels. Als eine queere Person bin ich immer vorsichtig, wenn mir jemand Unbekanntes offenbart, einer Religion anzugehören. Ich habe zu viele negative Erfahrungen gemacht, um furchtlos diesen Teil meines Selbst preiszugeben – hier möchte ich anmerken, dass meine mittlerweile beste Freundin Christin ist und ich so unglaubliche Angst hatte, es ihr zu sagen… Religion ist halt auch immer Auslegungssache. Warum ich das sage? Weil ich, ehrlich gesagt, Angst vor der buddhistischen Sicht auf Queerness hatte. Nur weil eine Religion/Spiritualität etwas behauptet, heißt es noch lange nicht, dass es da keine Fußnoten oder Bedingungen gibt. Und natürlich ist mir auch bewusst, dass es gerade im Buddhismus nicht die eine Sicht gibt; schließlich werden wir dazu angeregt, selbst alles für uns zu prüfen und nur das zu praktizieren, was uns wahr erscheint.
Alleine der Titel des Buches hat meine Ängste angesprochen, die Inhaltsangabe hat mich dann endgültig überzeugt, dass ich es einfach lesen muss. Und ich bin dankbar, dass ich es lesen durfte. Kodos Darstellung des Aufwachsens und sich-selbst-Verstehens als gender gifted Person und wie das in die gelebte Praxis des Buddhismus passt, hat mich sehr berührt, zum Denken angeregt und auch beruhigt. So schafft Kodo es zum Beispiel, noch einmal einen anderen Weg des buddhistischen Denkens und Lebens zu zeichnen, der sich nicht nur auf Diversität bezieht.
Ich habe mir unzählige Passagen auf meinem Kindle markiert und wenn ich mir die Print-Variante besorge, könnten sogar noch mehr markiert werden, denn beim zweiten Lesen werde ich bestimmt noch einmal mehr über mich erfahren haben und deswegen die Dinge anders wahrnehmen, aber eine finde ich besonders treffend:
Für mich geht es im Buddhismus nicht darum, an etwas zu glauben, sondern darum, etwas zu tun.
Kindle Pos. 421
Aber auch die Hinweise zum Selbstschutz empfinde ich als unglaublich wichtig. Aufgelockert wird die doch eher tiefgehende Thematik – obwohl der Mönch in High Heels sich unglaublich leicht lesen lässt – durch Throwbacks in meine eigene Kindheit, wie Card Captor Sakura oder Age of Empires. So habe ich auch noch einmal eine kleine Reise in meine Kindheit und Jugend machen können.
Ein letzter Hinweis noch, bevor ich zu meiner negativen Kritik komme. Bisher habe ich mich nicht tiefergehend mit dem Buddhismus vom Reinen Land beschäftigt, da andere Stile mich eher angesprochen haben. Ich glaube auch nicht, dass sich das ändern wird – auch wenn man es nie sicher weiß – aber ich finde es schön und wichtig, dass auch andere „Stimmen“ in Deutschland veröffentlicht werden, sodass ein großes Spektrum der buddhistischen Lehren hier zugänglich gemacht werden.
Viel negatives kann ich tatsächlich nicht sagen, aber zwei Dinge sind mir aufgefallen. Einmal gendert das Buch, was ich großartig finde. Das ein oder andere Mal wird dann aber doch nur die maskuline Variante genannt, was ich für einen Flüchtigkeitsfehler halte; der aber dennoch in der nächsten Auflage korrigiert werden könnte.
Das andere ist die oftmals doch ziemlich pathetische Sprache. Ich glaube, dass liegt aber auch daran, dass ich mit der deutschen Sprache aufgewachsen und so auch mein Denken dadurch geprägt wurde. Dennoch musste ich öfter einmal innehalten und den jeweiligen Ausspruch für mich selbst etwas „runter fahren“ in der Intensität.
Das bringt mich auch zu einem Hinweis von Kodo, der zwar im Gedanken an sich meinen Zuspruch findet, den ich aber trotzdem kritisch finde. Man soll nicht dem aktuellen Ort die Schuld geben, wenn man nicht so sein kann, wie man im inneren ist (vgl. Kindle. Pos. 2071). Je nachdem, wo man aufwächst, bedeutet ein offenes Queersein den Tod. Und das nicht „nur“ weil Einzelpersonen meinen, dass sie einen dafür töten dürften, wie es auch in Deutschland immer noch vorkommt, sondern weil das Gesetz die Todesstrafe vorsieht. Eine Flucht ist nicht für jede Person einfach so möglich und bedeutet oft anderes Leid.
Disclaimer: Kostenloses Exemplar für eine ehrliche Rezension erhalten. Dankeschön.