
Jäger, Hirten, Kritiker Eine Utopie für die digitale Gesellschaft
Reviews

Precht beeindruckt mit einem sehr oberflächlichen Technologieverständnis; dafür hat er reichlich Lust an der Empörung (auch über die Empörungslust anderer); weniger Interesse an Lösungen (stattdessen Kritik an „Solutionismus” und Empirie bei gleichzeitiger Berufung auf aufklärerische Werte.) Gefallsüchtige, journalistische Prosa voller altherrenhafter rhetorischer Mätzchen und Romantisierung des Analogen. Wenig fantasievolle Entwicklung bedenklicher Szenarien digitalen Wandels (z.B., Handy am Steuer). Grundlegendes Unverständnis einfacher wirtschaftlicher Zusammenhänge (z.B., Faktorproduktivität und Nachfrage nach Arbeitskraft). Seine konkreten Empfehlungen für den gesellschaftlichen Wandel sind alles, was ich aus diesem Buch mitnehme; der Rest ist Beiwerk, das sich nicht so recht zu einem großen Ganzen zusammenfügen will; mehr Märchenstunde als Abhandlung über den digitalen Wandel.
Highlights

sich Chips zu implementieren
Implantieren

Und bestimmte Geschäftsmodelle und Unternehmenskulturen, die sich in Deutschland seit zwei Jahrhunderten bewährt haben, gibt es in den USA gar nicht. Man denke nur an die Volks- und Raiffeisenbanken und die Sparkassen, deren Geldgeschäfte dem Prinzip der Genossenschaft oder regionaler Gemeinnützigkeit unterliegen.
Ouch.

So wurde in den USA zwischen 1997 und 2007 jedes dritte (1) Kleinkind durch CDs und DVDS dabei unterstützt, seine Muttersprache zu lernen. Mithilfe von »Brainy Baby« und »Baby Einstein« sollten die lieben Kleinen bestmöglich trainiert werden. Das Ergebnis war eine Katastrophe. Bei wissenschaftlichen Tests schnitten die solchermaßen trainierten Kleinkinder auffallend schlecht ab. [61] Um seine Muttersprache zu erlernen, reagiert das Kind nicht nur auf Worte, sondern ebenso sehr auf Augenkontakt, Mimik, Gesten und Zuwendungen.
Digitale Lernmedien sind also schlecht, weil es schlechte digitale Lernmedien gibt?

[Der Tod] ist der smarteste Zustand des Menschen.
…

Alles perfekt und nichts mehr überraschend.
Eine ziemlich verkürzte Sicht auf Technologie

[Die Heranwachsenden müssen lernen], digitale Risiken (wie Telefonieren am Steuer) abzuschätzen.
Wer dieses banale Beispiel wählt, hat die Tragweite des Digitalen vollkommen verkannt.

In solcher Lage Bildung an kurzfristigen Spekulationen über den Arbeitsmarkt auszurichten ist fahrlässig und gefährlich.
Von der Vermittlung technischen Wissens als kurzfristige Spekulation zu sprechen ist fahrlässig und gefährlich.

Das Streben nach Effizienz ist dem Menschen nicht von Natur vorgegeben. Die Natur ist nicht effizient – ihr Wesen ist Verschwendung.
Fragwürdig. Wie haben Jäger und Sammler trotz ihrer mutmaßlich verschwenderischen Natur überlebt?

die Disruption hat keinen selbstverständlichen Mehrwert vor der Kontinuität.
Umgekehrt aber eben auch nicht.

Man hüte sich vor ideologisch verkürzten Aussagen darüber, was »der Mensch« will und vor allem wohin!

Menschen ohne echte Bildung und Herzensbildung erkennt man an der Verwendung [des Begriffs ,Content’].
😅

Ständig das Nützliche zu tun charakterisiert dagegen die niederen Tiere. Ameisen und Termiten machen jeden Tag nur das Nützliche. Gerade die bunte Vielfalt des biologisch Verzichtbaren macht Menschen zu Menschen.

Wer sich auf Facebook austauscht, trägt parallel zu einer gewal- tigen Machtverschiebung von der Sphäre der Politik in die der Technikkonzerne bei. Selbstermächtigung beginnt also bereits dort, wo ich beschließe, einen digitalen Raum zu betreten oder nicht.

Die technische Entwicklung […] macht uns […] zu Wesen, die ohne Hilfsmittel nichts mehr können.
Diese Beobachtung ist viel älter als die vierte industrielle Revolution.

Um das Glück der Menschen zu mehren oder zu bewahren, braucht ein reiches Land wie Deutschland kein weiteres materielles Wachstum.
😱

Zumal schon allerorten patriotische Islamisten gegen die Europäisierung des Morgenlands unterwegs sind.

für Burkes »Sitten, Umgangsformen und Lebensgewohnheiten« reicht der Gebrauch von Smartphones bei Deutschen, Kirgisen, Massai und IS-Kriegern nicht aus. Smartphones stif- ten keine Wertegemeinschaft!

Aus einer moralischen Frage ist eine Zeitfrage geworden.
Verkürzt. Beide Fragen sind relevant.

Viele Angste des Menschen mögen zwar im Wortsinne nicht rational sein, sondern eben emotional - aber sie sind durchaus vernünftig. Angste sichern das menschliche Überleben seit den Anfängen unserer Spezies. Ein Dach über dem Kopf, ein überschaubares Terrain und Lebens- vorgänge, die ich deuten und verstehen kann, sind biologisch wichtig und damit auch psychologisch. In einer Wirtschafts- form, die allen Raum auf unserem Planeten entgrenzt, Kul- turen im Eiltempo entwurzelt, Tradition durch Neues ersetzt, flache Gesellschaften in Arm und Reich spaltet und überall Bedürfnisse und Bedarf weckt, sind solche Seelenheimaten be- langlos.

Und die Zukunft ist nie ein Versprechen an sich, sondern sie ist es immer nur im Horizont einer Gegenwart, deren Sorgen sie lindert.

Kommunizieren tun sie durch steinzeitliche Piktogramme, und infantil teilen sie die Welt in Likes und Dislikes.

Selbst wenn es um die Beurteilung der Qualität von Schulen oder anderen Institutionen geht, wird heute fast nur noch empirisch evaluiert.
Problem unklar. Lieber nach nicht-beobachtbaren Kriterien evaluieren?

Ganze Universitätsdisziplinen erscheinen nahezu lahmgelegt unter der zentnerschweren Last empirischer Forschung. Wer als Pädagoge oder Soziologe Projekte finanziert haben will, muss messen und quantifizieren.
Ist das derselbe Autor, der gerade erst den Verlust aufklärerischer Werte bedauert hat?

Hat nicht der technische Fortschritt immer die Produktivität erhöht und die Produktivität die Anzahl der Arbeitenden?
Nein.